Thor

(nord. Thor, alts. Thunar, angels. Thunor, südgerm. Donar oder Donner; Wingthor) Der germanische Donner-, Gewitter- und Fruchtbarkeitsgott und für Götter wie Menschen Beschützer vor den Riesen Jötunn.

Thor ist Sohn Odins und der Jörd.
Er ist Gatte der Sif, Vater der Thrudr und Stiefvater des Ull.
Er gilt auch als Sohn der Erde Fjörgyn und des Odin.

Söhne des Thor sind auch das Brüderpaar Magni und Modi (Kraft und Mut), die er mit der Riesin Jarnsaxa hat. Die beiden werden ihn überleben und nach Ragnarök seinen Hammer Mjöllnir erben.

Seine Wohnstatt in Asgard heißt Thrudvangar („Land der Stärke”, „Feld der Thrud”, Thrudwanger, Thrudheim (Edda, Grimnirlied, 4), benannt nach der Erdgöttin Thrudr, die als seine Tochter oder Gattin genannt wird. In diesem Thrudheim steht des Gottes Palast (Bilskirnir).

Täglich watet Thor durch die Flüsse Körmt und Örmt sowie die zwei Kerlauge (?), um fern seines Wohnsitzes bei Yggdrasil seine Urteile zu fällen. Er wählt diesen Weg, weil der Regenbogen (Bifröst) in Hitze brennt (Grimnismal 29).
Mit den Riesen liegt Thor in ständigem Krieg.

Im Kampf besiegt Thor unter anderen die Riesen Geirröd, Hrungnir, Hymir, Skrymir, Thrivaldi, Thjazi und Thrymr.

In einem Lied der Edda überlistet Thor auch den Dvergr Alwis. Als Thor seinen Wettkampf mit ihm aufnimmt, stellt er sich ihm als Wingthor vor, Sohn des Sidgrani (Alwislied 6). Solche Decknamen werden häufig auch von Odin verwendet, Sigurd verbarg seinen wahren Namen, als er dem Fafner den tödlichen Streich versetzte. Die Idee ist wohl, daß die Kenntnis des Namens Macht über seinen Träger vermittelt (vgl. Exorzismus, Beschwörung, Namen).

Zwei Böcke, Tanngnjostr und Tanngrisnir, ziehen Thors Himmelswagen. Zu Ragnarök wird er mit seinem Hammer Mjöllnir die Midgardsomr töten, er selbst wird dabei an ihrem giftigen Atem sterben.

Thor gehört zu den wichtigsten Asen. Wenngleich meistens Odin als Oberhaupt der Asen angesehen wird, so ist es einzig Thor, vor dem Loki in seinen Zankreden schließlich Respekt zeigt. Nach dem der alle Asen einschließlich Odin verspottet hat, tritt Thor auf. Er droht dem Spötter mit dem gefürchteten Mjöllnir, so daß Loki sicherheitshalber das Weite sucht:


57 Thor
Schweig, armer Wicht!
Dir soll mein Wuchthammer,
Mjöllnir, den Mund schließen!
Das Haupt hau ich
dir vom Halse ab
verloren ist dein Leben dann.
58-63 ...

(Loki verspottet ihn und Thor wiederholt dreimal seine Drohung)
64 Loki
Ich sprach vor den Asen,
sprach vor den Asensöhnen,
was meinem Herzen behagt;
einzig vor dir
will ich abziehen,
denn mich dünkt, du schlägt drein.

Edda, Lokasenna

Legendär ist Thors Trinkvermögen, hier besungen in einem Studentenlied:


2. Dann rief er heiß von Fahrt und Strauß:
Nun soll ein Schluck mich letzen!
Und trank das halbe Weltmeer aus,
den Riesen zum Entsetzen.

3. O Vater Thor, dich preisen wir,
blick her auf deine Kinder!
Hier brennt Germaniens Kamfbegier,
Germaniens Durst nicht minder.

4. Doch wir sind sterblicher Natur,
und heilig ist das Wasser.
Das Weltmeer ist für Götter nur,
wir sind nicht solche Prasser.

5. Gib gutes Jahr und guten Wein!
Dann soll dein Ruhm sich mehren,
wir schlagen alles kurz und klein,
Allvater, dir zu Ehren.

Quelle: Allgemeines Deutsches Kommersbuch. Ursprünglich herausgegeben unter musikalischer Redaktion von Friedrich Silcher und Friedrich Erk. 100. Aufl. 1914, Moritz Schauenburg, Lahr. S. 384, Nr. 418

Nach seinem germanischen Namen Donar ist der Donnerstag als donarestag (ahd. „Tag des Donar”; engl. Thursday; dän. u. schwed. Torsdag) nach dem Thor benannt. Noch in neuerer Zeit gedenkt man seiner auch außerhelb asentreuer Religion (Asatru, besonders verbreitet auf Island): Nach Thor ist das chemische Element Thorium benannt.

Durch Kontakt der römischen mit der germanischen Kultur kam es zur Gleichsetzung des Thor mit dem Jupiter, der wie der griechische Zeus Blitz und Donner(keile) schleudert. Die Christen sahen in ihm mit Vorliebe einen tumben Teufel.

Auch mit dem griechischen Helden Herakles wurde Donar gleichgesetzt, seine Waffe ist dann statt des Hammers eine gewaltige Keule.

 

Thors Fahrt nach Geirrödargard

Thor hatte die Fahrt nach Geirrödargard unternommen, weil ihn Loki dazu überredet hatte. Der war vom Riesen Geirröd gefangengenommen worden (in Gestalt eines Falken) und nur davongekommen, weil er dem Geirröd versprochen hatte, Thor unbewaffnet, ohne Hammer, Handschuhe und Gürtel, in dessen Halle zu bringen.

Bei Grid
Auf dem Weg nach Jötunheim nächtigten Thor und Loki bei der ihnen freundlichen Riesin Grid. Die warnte Thor, daß Geirröd den Tod des Hrungnir rächen wolle, der im Duell mit Thor gefallen war. Grid lieh ihm ihre eigene Ausrüstung, die der des Thor ähnelte: Einen Gürtel, der gewaltige Kräfte verleiht, eiserne Handschuhe und einen magischen Stab namens Gridarvölr.

Der Blutstrom der Riesin Gjalp
Eine erste Prüfung erwartet ihn, als er den größten aller Ströme, Wimur, durchwaten mußte, der ihn von Geirröds Halle trennte. Mit einem Mal wird aus dem Fluß eine reißende Strömung. Er droht der Flut:

1

Wachse nicht Wimur,
da ich dich durchwaten muß
nach der Riesen Reich!
Wisse, wenn du wächst,
so wächst mir Asenkraft
wie der Himmel, so hoch!
(Edda, Thorstrophen)

Diesen Strom Wimur ließ das Menstruationsblut Gjalp, Tochter des Geirröd, gewaltig anschwellen. Thor traf sie mit einem Stein, daß die Riesin das Weite suchte. Die Strömung war jedoch schon so heftig, daß Thor samt den an seinem Gürtel hängenden Loki hinweggeschwemmt wurde und nur das Astwerk einer Eberesche Halt vor dem Ertrinken bot.

Gjalp und Greip
Nach diesem Abenteuer gelangte man in Geirröds Saal, wo des Riesen Dienerschaft sie empfängt. Der Hausherr ist abwesend. Erschöpft ließ Thor sich in einen Stuhl sinken und nickte ein. Mit einem Mal wurde der Platz emporgerissen und drohte Thor an der Hallendecke zu zerquetschen, hätte der nicht mit aller Kraft Grids Stab Gridarvölr entgegengestemmt.

2
Einmal brauchte
ich all meine Kraft
in der Riesen Reich,
als Gjalp und Greip,
Geirröds Tochter,
mich himmelan heben wollten.
(Edda, Thorstrophen)

Thor obsiegt und bricht den Riesinnen ihr Genick.

Thors Kampf mit den Riesen Geirröds Ende
Endlich erscheint Geirröd selbst. Mit einer Feuerzange packt der Riese einen Klumpen glühenden Eisens und schleudert ihn gegen den Gott, den Thor aber, wie beim Ballspiel, auffängt und zurückwirft - zu seinem Glück schützen ihn die Handschuhe der Grid vor der Hitze des Wurfgeschosses. Die Glut durchschlägt den eisernen Pfeiler der Halle und erreicht ihr Ziel. Nachdem er so den Feind überwunden hat, erschlägt Thor kurzerhand noch alle seine Diener, ein Zug, in dem Thors Riesengeschichten übereinstimmen.

 

Thor in Utgard

Bei einem Abenteuer ergänzen sich Thors Kraft und Kampfesmut vortrefflich mit seines Gefährten Lokis geistigen Witz. Thors Gewalt vermag zunächst nichts auszurichten, erst die Erkenntnis läßt die gewaltige Riesenburg versinken.

Thialfi und Roskva
Auf dem Weg ins Riesenland kehren sie bei armen Bauern ein. Denen gebricht es an Speise, so daß Thor selbst für das Gastmahl sorgt, indem er seine Ziegenböcke Tanngnjostr und Tanngrisnir schlachtet. Sofern deren Knochen heil blieben, ließen sie sich unbeschadetet wiedererwecken. Der Thialfi war allerdings so hingerissen von der ungewohnt reichen Mahlzeit, daß er doch einen Knochen zerbrach, um das Mark zu schlürfen. Am nächsten Morgen lahmt einer der Böcke. Tobend vor Wut will Thor das Bauernhaus samt Bewohnern zerschmettern, sieht davon aber ab, als Thialfi und dessen Schwester Roskva zur Entschädigung in seine Dienste treten.

Im Handschuh Skrymirs
Nun zu viert reisen sie weiter. Sie erreichen eine Höhle, die ihnen wie eine gewaltige Halle erscheint. Dort übernachten sie. Am nächsten Morgen stellt sich heraus, daß die Höhle ein Handschuh war, Thor hatte im Daumen genächtigt. Den dazu gehörenden ebenso gewaltigen wie laut schnarchenden Riesen Skrymir versucht Thordreimal vergeblich mit seinem Hammer Mjöllnir zu erschlagen. Der aber meint bloß, ein Blatt oder eine Eichel sei ihm auf die Augenbraue gefallen.

In Utgard
Skrymir weist ihnen den Weg nach Utgard und teilt ihnen mit, das am Ziel ihrer Reise noch sehr viel größere Wesen als er selbst wohnten. Dort angekommen sie überwältigt von den ungeheuremn Ausmaßen der Burg. Und umgekehrt fiel den dort lebenden vier Riesen ihr winziger Besuch gar nicht auf, bis endlich einer von ihnen des Thor gewahr wurde.

Die Gewaltigen fordern Thor, Loki und Thialfi zu mehreren Wettspielen heraus. Loki muß sich beim Wettessen mit Lauffeuer messen und unterliegt. Thialfi hatte einen Wettlauf gegen den jungen Riesen Hugi zu bestehen und verlor. Thor verlor gleich mehrere Runden. Er vermochte nicht, ein Trinkhorn zu leeren. Auch gelang es ihm gerade, die eine Katzenpfote anzuheben und im abschließenden Ringkampf unterliegt er der steinalten Amme Elli.

Abschied von einem Trugbild
Nach diesem Fiasko nimmt man von Utgard Abschied. Thor gibt zu, allenfalls zweiter Sieger geworden zu sein. Ob dieser Erkenntnis verrät ihm einer der Riesen, daß seine Gäste einem Zauber aufgesessen sein. Thor wurde genarrt, indem das Trinkhorn im Ozean endete, er versuchte, die Weltenschlange Jörmungand zu wuchten und schließlich gegen das Alter kämpfte.
Nachdem sich so alles als Trugbild erwiesen hatte, verschwand Utgard und hinterließ eine verblüffte Gesellschaft.

 

Thors Heimholung des Hammers

Thors Hammer Mjöllnir war der Asen Versicherung gegen Angriffe der mit ihnen verfeindeten Riesen. Als einmal Zwerge dieses Gerät gestohlen hatten, war jedes Mittel recht, die wunderbare Waffe wiederzuerlangen.

Eines Morgens vermißte Thor saeinen Mjöllnir. Aufgeregt berät er sich mit Loki. Sie begeben sich zur Freyja und dem Loki leiht die Göttin ihr Falkengewand. Mit diesem Federkleid vermochte der in Windeseile zum Thrym, den König der Thursen zu fliegen.

Der Riese entgegnete dem Loki:
8

„Verholen hab ich
den Hammer Thors
unter der Erde
wohl acht Meilen.
Wieder heimwärts
holt ihn niemand,
führt man als Frau
mir Freyja nicht her.”
(Edda, Thrymlied)

Das war ein Schlag für die Asen, besonders weil Freyja keinerlei Neigung zeigte, dem Ansinnen des Riesen stattzugeben. Doch der listige Loki wußte einen Ausweg. Thor solle sich als Frau verkleiden und scheinbar dem Werben Thryms nachgeben. Thor ist wenig erbaut von der Vorstellung, sich in Frauenkleidern dem Gespött der Welt auszusetzen, willigt aber angesichts der Aussicht, Asgard bald unter riesischer Besatzung zu sehen, doch ein:
17
Da sagte Thor,
der trutzstarke:
„Weibisch nennen mich
Wanen und Asen,
laß ich mich binden
mit Brautlinnen.”

18
Da sprach Loki,
der Laufeys Sohn:
„Solche Sprache
spare dir, Thor!
Bald sitzen Riesen
im Ratersaal,
holst du nicht heim
den Hammer dir.”
(Edda, Thrymlied)

Man putzt ihn heraus, mit Brautkleid und Freyjas Halsband Brisingamen und in Begleitung Lokis, der seine/ihre Magd und Brautjungfer mimt, begibt man sich zum Riesen.

Thrym ist zunächst mißtrauisch, besonders wegen ungewohntem Durst der Dame und ihres gewaltigen Appetits, aber Lokis süßliche Worte zerstreuen seine Bedenken.

Schließlich ist es soweit. Thrym läßt den Mjöllnir holen und legt ihn zwischen die Schenkel der vermeintlichen Braut. Auf diese Gelegenheit hatte Thor gewartet. Blitzschnell packt er den Hammer und zertrümmert damit Thryms Schädel. Im anschließenden Blutrausch vernichtet er noch - wie üblich - sämtliche in des Riesen Heim anwesenden Riesen und hat wieder Macht über seinen Hammer.

 

Thors Kampf mit Hrungnir

Der gewaltige Hrungir war der stärkste aller Riesen, mit steinernem Herzen und Schädel und einem steinernem Schild. Er besaß ein prächtiges Pferd namens Gullfaxi. Einmal begegnet er bei einem Ausritt den Gott Odin, der auf seinem Hengst Sleipnir einherritt. Hrungir forderte Odin zu einem Pferderennen heraus.

Rasend schnell ritten sie Seite an Seite, aber schließlich war Odins achtbeiniges Roß doch schneller. Edel lud Odin den unterlegenen Hrungir zum Gastmahl. In der Götterburg trank Hrungir mehr vom Met, als ihm gut tat und begann übermütig, die Götter zu reizen. So drohte er damit, ganz Walhall auf seinem Rücken nach Jötunheim zu tragen und alle Bewohner Asgards zu töten, mit Ausnahme der Göttinnen Freyja und Sif. Endlich erschien Thor und drohte dem wütendem mit seinem Hammer Mjöllnir.

Hrungir war unbewaffnet nach Asgard gekommen. So forderte er Thor zu einem Duell im Grenzland zwischen Götterwelt und Riesenland. Begierig auf den Kampf willigt Thor freudig ein.

Mökkurkalfi
Am Kampfplatz hatten die Riesen Vorbereitungen getroffen. Aus Lehm hatten sie Mökkurkalfi („Nebelkalb”) geformt, einen gigantischen Lehmriesen, der bis in die Wolken ragte. Dieses Ungetüm belebten sie mit dem Herz einer Stute. Mökkurkalfi konnte sich mit dieser schwachen Pumpe aber nur sehr langsam bewegen. Dennoch genügten die ungeheuren Ausmaße, Thor so in Schrecken zu versetzen, daß der Gott entsetzt einnäßte. Sein menschlicher Knecht Thialfi rettete den Donnerer, indem er mit einer Axt die Beine des Lehmriesen kappte, so daß der mit so gewaltigem Getöse hinschlug, daß in ganz Jötunheim die Erde bebte. Nun genügte dem wieder gefassten Thor ein einfacher Hieb mit seinem Mjöllnir und Mökkurkalfi wurde zu bloßem Lehm.

Hrungnirs Tod
Nun war Hrungir an der Reihe. Mit einem gewaltigen Wetzstein wollte er Thors Hammer abwehren. In der Luft trafen sich die Waffen und Mjöllnir erwies sich als der Stärkere. Im Fluge zerschmetterte er Hrungirs Stein und sauste weiter gegen den Riesen, der gefällt zu Boden sank. Aber auch Thor selbst blieb nicht unversehrt. Ein Gesteinssplitter traf ihn und blieb in seinem Schädel stecken. Überdies lag ein Bein des Hrungir über dem Donnergott und klemmte den verwundeten am Kampfplatz.

Thors Rettung
Aber Thor blieb das Glück weiter hold. Sein Sohn Magni, der erst drei Jahre alte Riese, den Thor einer Verbindung mit der Riesin Jarnsaxe verdankt, kommt vorbei und hebt das Bein von seinem Vater. Fröhlich verkündet er, daß er selbst auch gern den Hrungir herausgefordert hätte, allerdings mit bloßen Fäusten.
Stolz auf seinen kräftigen Sohn schenkt ihm Thor Hrungir hinterbliebenes Roß Gullfaxi, zum Mißfallen des standesbewußten Odin, der Magni seine riesische Herkunft ankreidet.

Thors Wunde versorgt die Heilerin Groa. Aber auch ihr gelingt es nicht, die Gesteinssplitter restlos aus Thors Wunde zu entfernen, weshalb den fortan ein Stein im Schädel ziert.
Seiner Heldentat wegen nennt man ihn fortan ehrfurchtsvoll „Hrungnirs Schädelspalter”.