Der Seite "Wolfeskinder" entsprechend soll es hier um die Nordgermanen gehen, speziell um die Zeit zwischen Ende des 8. Jh. bis Mitte des 11. Jh., der "Wikingerzeit". Ich möchte versuchen aus der Fülle von Informationen die wesentlichsten Fragen zu beantworten.

Wer waren sie, woher kamen sie und wohin sind sie verschwunden?

Vorausschicken muss man hierbei, das es sich bei den Germanen um verschiedene Völker und Stämme Mitteleuropas handelte die der indogermanischen Sprachfamilie zugeordnet sind. Von den Nordgermanen ist bekannt, dass es durch die Kimbern und Teutonen von Jütland schon 2 Jh. v. Ch. gefolgt von den Langobarden, Wandalen, Burgundern, Rugier und Heruler Auswanderungen gen Süden lange vor der Wikingerzeit gab. Eine Ostexpansion vom finnischen Meerbusen über die Flüsse Russlands bis zum Schwarzen- und Kaspischen Meer fand bereits in der Bronzezeit statt. Die Wikingerzeit begann mit dem plötzlichen Auftauchen und Plündern der Nordmänner in der Nordsee.


Bauernkrieger mit Familie
 
 
 

Sie waren keine geschlossene ethnische Gruppe sondern lebten in verschiedenen Stämmen als Bauern in der Nähe der Küsten.

Wo liegt also der Ursprung ihres Namens?

Vermutlich leitet er sich vom altnordischen vikingr (Rauben, Plündern, auf Beutezug sein) ab. Andere Wortherleitungen sind auch vikvar (von der Stelle bewegen), das lateinische Wort vicus bezeichnet fahrende Männer. Durch "Adam v. Bremen" ist überliefert das sich "die skandinavischen Plünderer" selbst "Wikinger" nannten.


Von den Angelsachsen wurden sie als: pagani - Heiden und barbari oder piratae - Seeräuber, von den Franken pyratae Danorum - dänische Seeräuber, Dani - Dänen, Nordmanni - Normannen, von den Iren Finn-gail - weiße Fremde=Norweger und Dubh-gail - schwarze Fremde=Dänen und von den Deutschen Eschenmänner, bezeichnet. Da im Osten weniger die kriegerische Auseinandersetzung, sondern der Handel an erster Stelle stand kommt hier die Bezeichnung "Seeräuber oder Pirat" nicht vor. Von den Arabern als al Majus - Heiden bezeichnet, nannte man sie hier Waräger oder Rus.

Rus
Rus
 
 
 

Was bewegte diese Menschen die Heimat zu verlassen?

Eine Verschlechterung der Umwelteinflüsse, die die Bevölkerung zwang in südlichere Gegenden zu ziehen, läst sich nicht nachweisen. Ebenso ist eine Überbevölkerung als unwahrscheinlich anzusehen, da bei (geschätzten) 2 Mill. die Küstengebiete mehr als ausreichend Land für Ackerbau und Viehzucht boten. Unterstrichen wird dies auch damit, dass man bei den Wikingerzügen nur ähnliche Küstengebiete besiedelte und das Landesinnere wenig interessant war.

Die wichtigsten Ereignisse für den Aufbruch der Wikinger waren vermutlich die Überlegenheit im Schiffbau, das Erbrecht, sowie politische Veränderungen.

 
 
 

Was wären die Wikinger ohne ihre Schiffe?

Für diese gab es keine Baupläne, die Überlieferung erfolgte mündlich vom Vater an den Sohn. Die enorme Festigkeit und Belastbarkeit ergab sich, trotz geringer Dicke der Planken, aus der Kunst ohne sägen das Holz aus Baumstämmen nach der Maserung zu spalten. Die Planken wurden überlappend mit Metallnieten zusammengehalten. Bug und Heck waren gleichförmig. Rechts befand sich das Ruder und der Tiefgang war durch die Bauweise sehr gering. Dies erwies sich als großer Vorteil, weil zum anlegen kein Hafen benötigt wurde, flache Flüsse befahren werden konnten und die Schiffe sogar mittels Baumstämme über Land gerollt wurden. Zunächst wurde nur gerudert. Man orientierte sich dabei vorwiegend am Küstenverlauf.

Einer technischen Revolution gleich, musste wohl die Verwendung von Segeln gekommen sein. Hierdurch erhöhte sich die Geschwindigkeit und somit die Reichweite der Schiffe erheblich. So konnten sie beispielsweise eine Strecke von Westnorwegen bis Südisland (ca. 1300 km) in einer Woche zurücklegen. Der Mast konnte in kurzer Zeit umgelegt werden. Somit waren Brücken kein Hindernis.

Am bekanntesten sind wohl die schnellen Langboote, die ausschließlich für Raubzüge eingesetzt wurden. Sie wurden in einem Längen-, Breitenverhältnis von 7:1 gebaut und erreichten Geschwindigkeiten bis zu 20 Knoten. 20-30 m lange Boote mit bis zu 60 Riemen dürften die Regel gewesen sein, wobei die so genannten "Drachen" bis zu 50m lang waren. Der Tiefgang betrug dabei bei voller Beladung nur 90 cm. Es ist davon auszugehen, das die Manschaftsstärke mindestens doppelter Riemenanzahl entsprach und man sich so beim rudern abwechseln konnte.

Die breiteren, hochbordigeren und langsameren Frachtschiffe hingegen machten Handel und Besiedlung erst möglich, weil sie genug Stauraum boten. 6-8 Mann genügten sie im flachen Wasser zu rudern, sonst wurde gesegelt.

Die Seetauglichkeit der Wikingerschiffe wurde durch mehrere Nachbauten bewiesen. Wie auf diesem Bild zu sehen.


Die Wiking-Saga

Nicht schlecht staunte ich, als ich 2002 bei den Wikingertagen in Schleswig, einen mittelgroßen in Wikingergewandung gekleideten Mann in einem solchen Langboot stehen sah, bei dem ihm die Planken gerade bis zum Knie reichten. Mein erster Eindruck war, schönes Schiff aber wohl kaum seetüchtig, eine Welle genügt um es in eine Badewanne zu verwandeln. Da hatte ich mich aber mächtig getäuscht. Bei dem Mann handelte es sich um Burghard Pieske, der in seinem Nachbau eines Wikingerschiffes der "Wiking-Saga" (aus transporttechnischen Gründen nur 13,6m lang) stand und von seiner Reise nach Amerika auf den Spuren von Leif Erikson berichtete und dies mit atemberaubenden Bildern untermalte. Ihn begleitete dabei keine Mannschaft von über 20 Recken, legendlich 2 gute Freunde folgten ihm auf diesen gefahrvollen, manchmal sogar lebensbedrohlichen Weg. Voller Erfurcht lobte der erfahrene Weltumsegler dabei die Schiffbaukünste der Nordmänner. Das flache Boot surfte mühelos über die Wellenberge der offenen See. Ein Mythos erwies sich dabei als unhaltbar. Genau wie die Hörnerhelme nach Hollywood gehören, war das Schiff, mit an den Seiten angebrachten prachtvollen Schilden, auf hoher See, manövrierunfähig und drohte zu kentern. Die Achtung vor den Abenteurern der neuen und der alten Zeit stieg ins unermessliche bei der Vorstellung an die Kraftanstrengung und Entbehrungen bei einer solchen Reise. Keine warme Nahrung, keine schützende Kajüte, ständige Nässe und Kälte, Tag und Nacht den Elementen ausgesetzt und doch mit einem ungebrochenen Willen das Unmögliche möglich zu machen.

Wer an dieser Fahrt teilhaben möchte, empfehle ich wärmstens das Buch zum Abenteuer: "Expedition Wiking-Saga" von Burghard Pieske.

Die Wikinger waren sehr stolz auf ihre Schiffe. Man investierte gern, um ihr Aussehen zu verbessern. So sind reiche Schnitzereien an den Stevenbrettern, geschnitzte Tier- und Drachenköpfe als Stevenaufsatz, Vergoldungen am Bug und reich verzierte Segel überliefert.(der Nachbau eines abnehmbaren Stevenaufsatzes ist oben in der Überschrift zu sehen)Mit klangvollen Namen brachten die Nordmänner ihre Eigenschaften zum Ausdruck: Wellenwolf, Fjordhund, gullbringa-Goldbrust, harknifr-Rasiermesser, sudfreyr-Plankenochse, hlunnbjörn-Bär der Rollen, faxi byrjar-Wildferd, ormr inn langi-Lange Schlange, fifa- Pfeil, alft-Schwan, falki-Falke, gammr-Greif.

Häuptlinge und Könige stellten Schiffe zur Verfügung. Es gab auch Eigner aus der Oberschicht. Solche Schiffe waren natürlich nicht für jeden erschwinglich der sein Glück in der Ferne suchen wollte. Das führte dazu, dass man sich in Eidgemeinschaften zusammenschloss um die Reise zu finanzieren.

 
 
 

Rechtsprechung bei den Wikingern

In der Gesellschaft der Wikinger gab es drei Stände:

  • Sklaven - waren völlig rechtlos, meist Kriegsgefangene (sie konnten aber freigelassen werden oder sich freikaufen)
  • Freie Männer - diese bildeten den Kern der Bevölkerung. Sie durften Waffen tragen und am Thing teilnehmen.
  • Häuptlinge und Könige - sie waren keine absoluten Herrscher, sondern von den Beschlüssen der Thinge abhängig.

Bei den jährlichen Volksversammlungen dem "Thing" konnte jeder freie Mann an der Gesetzgebung mitwirken. Die Meinungen der Ehefrauen wurde dabei mit gehört. Es erfolgte auch die Rechtsprechung und die Klärung von Regierungsfragen. Kleinere Vergehen wurden mit einem "Wergeld" bestraft. Wenn Frauen von Ihren Ehemännern schlecht behandelt wurden konnten sie sich scheiden lassen. Eine weitere Art der Bestrafung war der Ausschluss aus der Gemeinschaft, die Ächtung. Für Mord und schweren Diebstahl gab es die Todesstrafe.

Das Erbrecht beruhte auf dem Erstgeburtrecht. Der älteste Sohn erbte das Land während bewegliche Güter aufgeteilt wurden. Dies trug sicherlich mit dazu bei, dass die jüngeren Söhne zum Aufbruch in die Ferne bereit waren.

Mit zunehmender Christianisierung gewannen die Könige an Macht und die Thinge verloren an Bedeutung. Eine Wendung, die freie Männer dazu veranlasst haben könnte, die Heimat zu verlassen.


Bogenschütze
 
 
 

De furore Normannorum libera nos, Domine.
("Befreie uns, Herr, von der rasenden Wut der Normannen")

Dem christlichen Westeuropa erschienen die Heiden als Strafe Gottes. Sie fielen mordend und brandschatzed in die Küstenorte ein. Bei den Plünderungen machten sie keinen Halt vor Kirchen und Klöstern. Sie verschleppten die Bevölkerung und machte sie zu Sklaven. Der erste belegte Überfall fand 793 in Nordengland statt. Dieser galt dem berühmten Inselkloster Lindisfarne. Der Tod auf dem Schlachtfeld galt als besonders ehrenhaft, Ergebung und Gefangenschaft als Schande. Darum waren sie in ganz Westeuropa gefürchtet.

Mit ihren schnellen Schiffen konnten sie überraschend angreifen und sich wieder zurückziehen. Bald beherrschten sie die Nordsee. Über die großen Flüsse Rhein, Seine, Loire und Rhone drangen sie weit ins Landesinnere ein. So wurde Paris 2mal belagert. Sie nutzten aber auch die unsicheren Zeiten, die durch den Zerfall des Frankenreiches im 9. und 10. Jahrhundert und die Kämpfe der miteinender verfeindeten angelsächsischen Reiche entstanden waren.

Eine beliebte Einnahmequelle war die Zahlung großer Geldsummen, mit denen der Rückzug der Wikinger erkauft wurde. Ihre Raubzüge führten sie bis ins Mittelmeer und an die Afrikanische Küste.

Wenn man davon ausgeht, das die Chronisten jener Zeit eher zu den Opfern der "Geschöpfe des Teufels" zählten, kann man verstehen warum die Nordmänner in der Geschichtsschreibung jener Zeit nicht besonders gut abschnitten und ihre Errungenschaften in den Hintergrund traten.

Dazu demnächst mehr
A.Askrdotter

 
 
 
 
Quellen:
Rudolf Simek - Die Wikinger (1998 by C.H. Beck´sche Verlagsbuchgesellschaft München) John Guy - Die Wikinger (2000 für die deutsche Ausgabe: anEdition München) Eyewitness Guides - Wikinger (1994 Gerstenberg Verlag, Hildesheim)
Bilder:
Eyewitness Guides - Wikinger (1994 Gerstenberg Verlag, Hildesheim) Burghard Pieske - Expedition Wiking Saga (2002 Delius Klasing Bielefeld)