Am 11. Juni 2007 wird die Mark Brandenburg 850 Jahre alt

Artikel von dem Historiker Matthias Helle aus Fredersdorf. Erschienen in der Gransee Zeitung 10./11. März 2007

Es gibt drei verschiedene Jahreszahlen, auf die sich Brandenburg-Jubiläen beziehen, und zwar das Jahr 929, das Jahr 948 (daher die Feier 1998) und schließlich das Jahr 1157. Letztere Jahreszahl zum Gründungsjahr der Mark zu erklären, ist etwas gekünstelt. In der Tat ist die Festlegung auf 1157 als "Geburtsjahr" ein geistiges Produkt späterer Historikergenerationen. Diese Fixierung bedeutet zugleich, dass die "Geburtswehen" der Mark Brandenburg über zwei Jh gedauert haben.

Im äußerst strengen Winter anno 928/929 war der deutsche König Heinrich I. schlagartig in das Land der Slawen östlich der Elbe eingefallen. Die "Brennaburg" (auf der heutigen Brandenburger Dominsel)1165 wurde der Dom auf den Grundmauern der Burg errichtet war die Hauptfeste der Heveller - der Havel-Slawen. Eigentlich hatte die Burg durch das sie umfließende Havelwasser einen recht guten Schutz. Doch just zu jener Zeit, als König Heinrich hier erschien, war die Havel zugefrohren. Der Chronist Widukind, ein im 10. Jh im Kloster Corvey lebender Mönch, berichtete, König Heinrich habe sein Lager auf dem Eis aufgeschlagen und die Burg schließlich "durch Hunger, Schwert und Kälte" eingenommen.(Dieses historische Ereignis war der Anlass für die große Jahrtausendfeier der Stadt Brandenburg im Jahr 1929.)

Verständlicherweise wollten sich die Slawen mit ihrer Unterwerfung, mit einer deutschen Oberhoheit und der Tributpflicht gegen den deutschen König nicht abfinden. So bildeten die eroberten Landschaften zwischen Elbe und Oder unsichere Grenzgebiete des deutschen Reiches, die einer besonderen militärischen Kontolle bedurften. Das althochdeutsche Wort für Grenze lautet "marcha". Davon leitet sich die generelle Bezeichnung für diese Grenzgebiete ab: Sie waren "Marken". der König setzte in ihnen "Markgrafen" als königliche Amtsträger und militäische Befehlshaber ein. Eine der Marken war die so genannte Nordmark zwischen mittlerer Elbe und mittlerer Oder sowie zwischen der Elde und Peene im Norden und dem Fläming im Süden.

Otto der Große, Sohn und Nachfolger König Heinrich I., förderte die christliche Missionierung der heidnischen Slawen. Es sollte eine Gemeinsamkeit des Glaubens zwischen Deutschen und den Hevellern und den anderen slawischen Stämmen geschaffen werden. Dies war eine unabdingbare Voraussetzung dafür, die Markengebiete fest in das deutsche Reich einbinden zu können. 948/949 gründete Otto auf der "Brendanburg" einen Bischofssitz. Als Grenzen des neuen Bistums Brandenburg wurden im Westen und Süden die Elbe und im Osten die Oder bestimmt. Im Norden schloss sich an den Spengel des Bistums Brandenburg der Sprengel des zeitgleich gegründeten Bistums Havelberg an. Damit umfassten die beiden Bistümer einen großen Teil der Nordmark. Trotz Markenverfassung und Bistumsgründungen: Im Jahr 983 brach ein großer Slawenaufstand los. Thietmar von Merseburg hielt die Ereignisse in seiner Chronik fest. Dieser nach ermordeten die Aufständischen am 29. Juni 983 die Besatzung von Havelberg und zerstörten den dortigen Bischhofssitz. Drei Zage darauf überfiel ein Haufen rebellischer Slawen die Brandenburg. Bischof Folkmar hatte zuvor fliehen können, während sein Vogt Dietrich mit seinen Kriegern nur mit Mühe entkam. Die in der Burg anwesenden Priester wurden gefangen, die Bischofskirche geplündert und "das Blut Vieler elendiglich vergossen."

Die Heveller verwarfen das Christentum und übten fortan wieder eigene religiöse Kulte aus. Auf dem Harlunger Berg (dem heutigen Marienberg) unweit der Brandenburg entstand ein Tempel, in dem sie den Gott Triglaw (Dreikopf) verehrten. Legiglich die Sorben im Süden blieben weiterhin unter der Botmäßigkeit deutscher Markgrafen. Die Elblienie sollte für die folgenden rund einhundertfünfzig Jahre die umstrittene Grenzlinie zwischen Slawen und Deutschen bilden. Zwar wurden Markgafen der Nordmark kontinuierlich weiter bestellt, doch verblieb ihnen höchstens der Besitz einiger Reichsburgen in der (später so bezeichneten) Altmark am Westufer der Elbe. Auch wurden weiterhin Bischöfe von Brandenburg eingesetzt, denen aber der Zugang zu ihrem Sprengelgebiet verwehrt war.

Im 12. Jh wurde die so genannte deutsche Ostbewegung wieder intensiviert. Angehörige des deutschen Hochadels griffen über die Elbe, um in slawischen Landen sich eigene, räumlch geschlossene Herrschaften aufzubauen. Polen weitete indes seinen Einflussbereich westlich der Oderlinie aus. Zu den dadurch Bedrängten zählte im zweiten Viertel des 12.Jh der auf der Brandenburg sitzende Hevellerfürst Pribislaw. Wohl zur Sicherung seiner Herrschaft nahm Pribislaw zum einen den christlichen Glauben an und ließ sich auf den Namen Heinrich taufen.

Albrecht der BärEr holte aus Leitzkau christliche Prämonstratenser-Mönche und siedelte sie bei der St. Gotthardt-Kirche in Parduin (Pardwin), der Keimzelle der späteren Altstadt Brandenburg, an. Zum anderen knüpfte Pribislaw-Heinrich eine Partnerschaft zu einem deutschen Hochadligen - zu Albrecht dem Bären (geb. um 1100, gest. 1170) aus dem bedeutenden Geschlecht der Askanier, deren Stammbesitzungen im Harzvorland lagen. Albrecht wählte bezeichnenderweise Pribislaw-Heinrich zum Taufpaten seines Sohnes Otto, und der Hevellerfürst übergab als Patengeschenk das südlich der Havel gelegene Land Zauche. Nach dem Tod des Markgrafen Konrad von Plötzkau erhielt Albrecht der Bär 1134 die Nordmark übertragen. Im Jahre 1138 wurde er sogar mit dem Herzogtum Sachsen belehnt. Hierbei handelte es sich um die heutigen Gebiete Niedersachsens und Sachsen-Anhalts. Dies blieb jedoch Episode, denn der Askanier konnte sich nicht gegen die (nieder-)sächsische Adelsopposition durchsetzen und musste 1142 auf den sächsischen Herzogtitel verzichten. Ungleich erfolgreicher war er hingegen im Osten. Der betagte und kinderlose Pribislaw-Heinrich setzte Albrecht den Bären testamentarisch zu seinem Erben ein.

Damit hatte Albrecht einen unzweifelhaften Rechtsanspruch auf die Nachfolge des slawischen Herrschers zu Brandenburg. Seitens des deutschen Königtums wurde dies zur Kenntnis genommen, und die Reichskanzlei bezeichnete den Askanier ab 1142 in mehreren Urkunden statt als Markgrafen der Nordmark schon als Markgrafen von Brandenburg, obwohl Albrecht die Havelburg noch gar nicht in Besitz genommen hatte. Im Jahr 1150 trat der Erbfall ein. Da die Heveller immer noch zu heidnischen Kulten neigten, verheimlichte Pribislaw-Heinrichs Witwe Petrissa zunächst den Tod ihres Mannes und benachrichtigte Albrecht den Bären. Dieser rückte unverzüglich mit einer Schar Bewaffneter heran und ergriff von der Brandenburg Besitz.

Nachdem der Askanier die Verhältnisse auf der Burginsel für geordnet glaubte, zog er wieder ab unter Zurücklassung einer deutsch-slawischen Besatzung, der er das größte Vertrauen schenkte. Albrecht der Bär hatte jedoch die Rechnung ohne einen Konkurrenten gemacht, der ebenfalls ansprüche auf Brandenburg anmeldet. Jaxa, ein polnischer Vasall und naher Verwandter des verstorbenen Hevellerfürsten, fühlte sich in der Erbfolge übergangen. Er gierte nach der Burginsel, den strategisch wichtigen Passort, wo von Westen und Süden kommende, nach Polen laufende Handelsstraßen die Havel überquerten. Jaxa bestach die insassen der Burg und drang nachts mit einem Polenheer ein, wobei die Bestochenen ihm die Tore öffneten.

Nun war es an Albrecht, die Brandenburg wieder zurückzuerobern. Er sammelte mit Erzbischof Wichmann von Magdeburg und anderen Edelherren ein zahlreiches Heer. Er verteilte Truppen auf drei Punkte um die Havelfeste, warscheinlich um das Gebiet der späteren Neustadt Brandenburg herum, um Parduin und die der Burginsel nördlich vorgelagerte Insel. Damit war die Burg abgeschnitten, und nach längerer Belagerung und blutigen Gefechten kapitulierte deren Besatzung. Albrecht der Bär richtete (warscheinlich) auf dem Harlunger Berg sein Siegesbanner auf, wobei er vielleicht das dortige Triglaw-Heiligtum zerstören ließ.

So ungefähr werden die Geschehnisse um Übernahme, Verlust und Rückgewinnung der Brandenburg zumindestens in einem überlieferten mittelalterlichen Traktat beschrieben. Darin ist das Datum der Rückeroberung mit dem 11. Juni 1157 angegeben. Erst seit 1157 betitelte sich Albrecht selbst als Markgraf von Brandenburg, und erst jetzt schienen die Verhältnisse in Havelland und Zauche soweit gesichert, dass ein Landausbau im großen Stile beginnen konnte, dass deutsche Siedler über die Elbe kamen und zahlreiche neue Dörfer gründeten oder bestehende slawische Siedlungen erweiterten, dass Städte nach deutschem Recht wie die Altstadt und die Neustadt Brandenburg gegründet wurden, dass der Bischof von Brandenburg seinen Sitz nach mehr als einhundertsiebzig Jahren wieder auf die Burginsel verlegen konnte, und dass die Askanier in der Mark in der Folgezeit ihre eigene Territorialherschaft etablieren konnten.

 
 
Zurück


Literaturhnweise: Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschicht des Mittelalters (Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe). Bd. 8 u. 9, Darmstadt 1962/71.Kulturatlas Brandenburg. Bearbeitet u. herausgegeben v. G. Heinrich, 2.Aufl.,Berlin2006. Lutz Partenheimer: Albrecht der Bär. Gründer der Mark Brandenburg und des Fürstentums Anhalt. 2. Aufl., Köln u.a. 2003. Winfried Schich u. Jerzy Strzelczyk: Slawen und Deutsch an Havel und Spree. Zu den Anfängen der Mark Brandenburg. (= Studien zur internationalen Schulbuchforschung, Bd. 82/B IV) Hannover 1997. Johannes Schultze: Die Mark Brandenburg. Bd.1. Entstehung und Entwicklung unter den askanischen Markgrafen (bis1319). Berlin1961. Otto Tschirch: Geschichte der Chur-und Hauptstadt Brandenburg an der Havel. 2.Aufl., Bd. 1, Brandenburg/Havel 1936. Bild Dominsel: www.wir-in-brandenburg.de